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Um die genaue Funktionsweise eines Umsatzsteuerkarussells verstehen zu können, ist es hilfreich, sich zunächst einen Überblick über die einzelnen Beteiligten am professionell ausgestalteten Karussellbetrug zu verschaffen. Zur Vereinfachung wird hier ausschließlich der Weg der Warenlieferungen dargestellt. Wie die Akteure eines Karussellbetrugs finanziellen Profit aus der Beteiligung schlagen, wird ausführlich auf der Seite "Die Funktionsweise" beschrieben.
Die Erscheinungsformen eines Umsatzsteuerkarussells sind mannigfaltig. Die Ware kann im Kreis bewegt werden. Es kann jedoch auch eine reine Absatzkette verabredet werden, an deren Ende die Ware dann auf den freien Markt gelangt. Zwar handelt es sich in diesem Fall um kein Umsatzsteuerkarussell im eigentlichen Sinne, jedoch werden solche Kettengeschäfte mitunter in ein Umsatzsteuerkarussell integriert.
Grundsätzlich können an einem Umsatzsteuerkarussell beliebig viele Personen teilnehmen. Je mehr Firmen involviert sind, desto schwieriger ist es für die Behörden, den Betrug zu durchschauen. Hochprofessionelle Umsatzsteuerkarusselle bestehen daher aus einem Geflecht von vielen Dutzend Firmen, die ständig ausgetauscht werden beziehungsweise ihre Funktion innerhalb des Karussells ändern. Das "Standard-Umsatzsteuerkarussell" besteht jedoch aus vier Firmen, von denen drei ihren Sitz in Deutschland haben und eine in einem anderen EU-Land ansässig ist.
Weg der Ware:
Die erste Firma ist der sogenannte In/Out-Buffer, der seinen Sitz im zum europäischen Wirtschaftsraum gehörigen Ausland hat. Idealerweise sitzt er in einem an Deutschland angrenzenden Nachbarland wie Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen oder Tschechien und hat sein Lager gerne in unmittelbarer örtlicher Nähe zu einem Grenzübergang. Durch die Grenznähe lassen sich insbesondere die Transportkosten deutlich reduzieren.
Der In/Out-Buffer ist das erste Glied der Lieferkette. Er verkauft die Ware von seinem Sitz im EU-Ausland über die Grenze hinweg nach Deutschland an das zweite Glied der Lieferkette. Hat die Ware die vorher festgelegte Absatzkette durchlaufen, kauft der In/Out-Buffer die Ware vom letzten Kettenglied wieder zurück.
Die an zweiter Stelle in der Absatzkette stehende Firma ist der sogenannte Missing Trader mit Sitz in Deutschland. Bei Missing Tradern handelt es sich oft um Briefkastenfirmen, die lediglich auf dem Papier existieren und ihren Sitz in einem anonymen Bürocenter in einer Großstadt haben. Regelmäßig lösen sich diese Firmen in Luft auf, sobald die Behörden gegen sie ermitteln. Daher kommt auch ihre Bezeichnung als Missing Trader - zu Deutsch "verschwundener Händler".
Doch auch der Missing Trader braucht für die kurze Zeit seines Bestehens ein Bankkonto, eine Handelsregistereintragung und eine Umsatzsteueridentifikationsnummer (USt.-ID). Es bedarf folglich eines Geschäftsführers, der nach außen hin für die Firma auftritt. Die Hintermänner machen sich also auf die Suche nach einer Person, die sie für ihre Zwecke einspannen können. Diese soll mit ihrem Namen für die Firma einstehen und im Fall der Fälle ihren Kopf hinhalten. Mit ein paar tausend Euro gelingt es den Hintermännern oft, entsprechende Personen für ihr Vorhaben anzuwerben. Danach führt der Weg meist direkt zu einer Bankfiliale. Dort lassen die Hintermänner den Geschäftsführer ein Geschäftskonto für die Firma eröffnen, über das per Onlinebanking verfügt werden kann. Bankkarte, PIN-Nummer und Online-Zugangsdaten werden dem Geschäftsführer jedoch sofort abgenommen, damit dieser keinen Zugriff auf das Firmenkonto hat.
Da eine neu gegründete Firma, die von Anfang an sehr hohe Umstätze erzielt, schnell die Finanzbehörden misstrauisch macht, behelfen sich die Hintermänner oft mit einem Firmenkauf. Sie suchen gezielt nach einer bereits seit mehreren Jahren bestehenden Firma, die sie günstig erwerben können. Meist handelt es sich um inhabergeführte Kleinstbetriebe (in der Regel Gesellschaften mit beschränkter Haftung), die kurz vor der Schließung stehen. Es wird darauf geachtet, dass die Firma bereits eine längere Zeit existiert und bisher steuerlich nicht auffällig geworden ist. Dafür greifen die Hintermänner gerne auf Online-Portale zurück, die aktive oder ruhende Firmenmäntel anbieten. Die angekaufte Firma wird dann meist umbenannt und der Firmenzweck im Handelsregister um den Handel mit den entsprechenden Gütern erweitert. Ein weiterer Vorteil des Kaufs einer solchen Mantelgesellschaft ist der Umstand, dass dieses Unternehmen die Umsatzsteuervoranmeldung meist nicht mehr jeden Monat, sondern nur noch vierteljährlich abgeben muss.
Die konkrete Aufgabe des Missing Traders ist sodann der Ankauf der Ware vom In/Out-Buffer, die er nach Erhalt an das dritte Glied der Kette weiterveräußert.
Das dritte Kettenglied ist der sogenannte Buffer. Bei ihm handelt es sich um eine unauffällige, am Markt tätige Firma. Sie kauft die Ware vom Missing Trader an und verkauft sie mit einem Gewinnaufschlag an das vierte Glied der Kette weiter. Nach außen hin wirken An- und Verkauf der Ware durch den Buffer wie ein ganz gewöhnliches Handelsgeschäft. Der Buffer kauft schließlich Ware ein und verkauft sie zu einem höheren Preis weiter. Auch seine Steuern zahlt der Buffer pünktlich und in der vollen Höhe. Worin steckt also der Sinn der Zwischenschaltung eines Buffers? Er verteuert und verkompliziert den Warenfluss doch eigentlich nur.
Der wahre Sinn der Einschaltung eines Buffers liegt in der Verschleierung des Warenkreislaufs. Da seine Geschäfte auf den ersten und meist auch auf den zweiten Blick wie ein ganz normales Handelsgeschäft aussehen, erschwert man es den Finanzbehörden so erheblich, einen Warenkreislauf zu erkennen. Dies ist auch der Grund für die Bezeichnung als Buffer, was auf Deutsch "Puffer" bedeutet.
Um den Kreislauf der Waren noch weiter zu verschleiern, werden mitunter gleich mehrere Buffer hintereinander geschaltet. Man spricht dann von Buffer I, Buffer II, Buffer III, etc. Dadurch wird es für einen Außenstehenden noch schwerer, zu erkennen, dass ein und dieselbe Ware ständig im Kreis herum verkauft wird.
Achtung: Während der Missing Trader - einmal abgesehen von seinem Strohgeschäftsführer - in der Regel wissentlich in das Umsatzsteuerkarussell eingebunden ist, ist dies beim Buffer nicht automatisch der Fall! Für die Hintermänner des Umsatzsteuerkarussells ist es von erheblichem Vorteil, ganz normale Firmen ohne deren Wissen als Buffer in die Absatzkette einzubinden. Dies erschwert es dem Finanzamt erheblich, einen Karussellbetrug zu entdecken. Denn die ohne ihr Wissen als Buffer in das Karussell eingebundenen Firmen sind schließlich meist schon seit vielen Jahren erfolgreich mit hohen Umsätzen am Markt tätig. Wie genau es die Hintermänner immer wieder schaffen, Firmen ohne deren Wissen als Buffer in ein Steuerkarussell einzubinden, wird auf der Seite "Die Funktionsweise" näher beschrieben.
Der zur Verschleierung des Warenkreislaufes an dritter Stelle in der Kette eingesetzte Buffer verkauft die Ware nun an das vierte Glied der Kette.
Das vierte und damit letzte Glied der Absatzkette ist der sogenannte Distributor. Wie bereits beim Buffer handelt es sich beim Distributor um ein auf den ersten Blick ganz normales Unternehmen. Er kauft die Ware vom Buffer an und verkauft sie mit einem Gewinnaufschlag weiter. Auch seinen steuerlichen Verpflichtungen kommt der Distributor uneingeschränkt nach. Im Gegensatz zum Buffer verkauft der Distributor die Ware jedoch nicht an eine Firma mit Sitz in Deutschland, sondern veräußert sie an ein Unternehmen im EU-Ausland: den oben genannten In/Out-Buffer. Hier schließt sich dann der Warenkreislauf. Aus diesem Grund wird der Distributor mitunter auch als Exporteur bezeichnet.
Die Hauptaufgabe des Distributors besteht also darin, dafür Sorge zu tragen, dass die Ware wieder zurück an den Kettenanfang zum In/Out-Buffer gelangt und so der Warenkreislauf von neuem beginnen kann.
Achtung: Wie auch beim Buffer kann es vorkommen, dass redliche Unternehmer ohne ihr Wissen von den Hintermännern des Umsatzsteuerkarussells als Distributoren missbraucht werden.